1956 – Gyromatic Nr. 21
Uhrenbericht aus dem Jahr 1956.
Wir freuen uns, die modernste Schöpfung der Uhrenfabrik Girard Perregaux, die Uhr mit Selbstaufzug „GYROMATIC No. 21“ präsentieren zu können (Abb. 1).
Es handelt sich dabei um eines der flachsten automatischen Uhrwerke mit Sekundenzeiger in der Werkmitte und doppelseitig wirkendem Rotor. Wer die „GYROMATIC No. 21“ genau prüft, findet darin verschiedene technische Neuerungen verwirklicht, welche diese nach Einfachheit strebende Konstruktion zu einem Spitzenerzeugnis der schweizerischen Uhrenindustrie macht.
(Abb. 1)
Die modernen Uhrwerke mit Selbstaufzug erhalten ihren Antrieb von einem Rotor, welcher in beiden Drehrichtungen die Feder der Uhr spannt. Die Umwandlung der hin und her gehenden Bewegung des Rotors in eine Rotation von gleichem Drehsinn ist eine der großen Aufgaben der Uhrentechnik, für welche die Firma Girard Perregaux eine hervorragende Lösung gefunden hat. Man hat nämlich erkannt, dass die Wirksamkeit und Lebensdauer des Selbstaufzuges vom Wirkungsgrad dieser Energieumwandlung abhängt. Der neue mechanische Gleichrichter, wie wir ihn in der „GYROMATIC No. 21“ finden, wurde in jahrelangen Versuchen und Studien entwickelt und darf, dank seiner Einfachheit und Robustheit, der Zustimmung der Fachwelt sicher sein.
Bisher wurden zur Gleichrichtung allgemein Getriebe verwendet, bei welchen mindestens ein bewegtes Zahnrad abwechslungsweise mit einem anderen Zahnrad in Eingriff kommt und die erreichte Spannung der Feder durch Klinken sichergestellt wird. Dabei können sowohl an den Radzähnen wie an der Klinke frühzeitig Abnützungen auftreten, und da zudem die Räder häufig auf Stiften gelagert werden, entsteht bei solchen Umwandlern ein relativ großer Kraftverlust. Der von Girard Perregaux entwickelte mechanische Gleichrichter basiert auf einem völlig neuen mechanischen Prinzip und konnte deshalb durch Patente geschützt werden. Wie Abb. 2 zeigt, besteht er nur aus vier Rädern, wobei erst noch zwei davon identisch und untereinander auswechselbar sind. Diese vier Räder stehen ständig miteinander im Eingriff, eine Abnützung der Radzähne ist somit praktisch ausgeschlossen, und da sie beidseitig in feststehenden Gleitlagern auf einwandfreie Art gelagert sind, konnten die Kraftverluste auf ein absolutes Minimum reduziert werden.
(Abb. 2)
Die Umwandlung der Drehbewegung geschieht durch die ,,GYRO-Räder“, welche von der Fabrik komplett zusammengebaut und geliefert werden und bei einer Reinigung des Uhrwerkes als Ganzes ausgebaut werden können (Abb. 3). Sie bilden das Herz des ,,GYROMATIC“=Selbstaufzuges und sorgen durch ihre schwimmend eingebauten Klinken für eine zwangsläufige Kupplung zwischen Rotor und Feder. Von der einwandfreien Funktion der Kupplung kann man sich überzeugen, wenn man mit einer Pinzette den Trieb nach oben festhält und das Rad mit dem Finger dreht. Im Uhrzeigersinne ist das Rad absolut frei, während in der entgegengesetzten Drehrichtung Rad und Trieb augenblicklich miteinander gekuppelt sind. Dabei lässt sich keine Reibung feststellen, und folglich wird auch kein Verschleiß auftreten. Die genaue Herstellung schließt jedes Versagen dieser einzigartigen Kupplung aus, wovon man sich am fertigen Uhrwerk überzeugen kann. In der Tat dreht der Rotor gleichmäßig ohne Sprünge, ohne Geräusch und wandelt selbst die kleinste Erregung in Spannkraft der Feder um.
(Abb. 3)
Spezielle Erwähnung verdient die Lagerung des Rotors, dessen Welle hier erstmals zwischen zwei feststehenden Steinlagern mit minimalem Spiel und geringster Reibung geführt wird. Damit konnte der allgemein verwendete Halter für den Rotor, der zusätzliche Reibungsverluste verursacht, auf elegante Weise durch eine bedeutend zuverlässigere Lagerung ersetzt werden.
Um dem Uhrmacher die Arbeit so weitgehend als nur möglich zu erleichtern, wurde auf die Montage des Selbstaufzug-Mechanismus besondere Sorgfalt verwendet. Nur drei Schrauben befestigen den sehr einfach aufgebauten automatischen Aufzug auf dem Basiswerk, und nach der Trennung bleibt jeder Teil als Einheit bestehen, wodurch die Kontrolle der Funktionen und die Zugänglichkeit zu allen Organen sehr erleichtert wird (Abb. 4). Besonders wenn nach längerem Gebrauch das Uhrwerk zu reinigen ist, dürfte diese Möglichkeit geschätzt werden.
Bei dem nun frei gewordenen Basiswerk (Abb. 4) handelt es sich um das seit Jahren für seine Zuverlässigkeit und Solidität berühmte Girard Perregaux ,,Sea-Hawk“ Kaliber. Da der Rotor in einer Ebene über das Uhrwerk schwingt, konnten Federhaus und Unruh bis zum Werkrand vergrößert werden und weisen Durchmesser auf, wie sie bei automatischen Uhren dieser Größe selten gefunden werden.
(Abb. 4)
Das große Federhaus enthält eine bruchsichere Aufzugfeder, die allen Witterungseinflüssen standhält, selbst nach jahrelangem Dienst nicht lahm wird und bei vollständiger Spannung eine Gangreserve von über 40 Std. abgeben kann. Diese große Kraftreserve in Verbindung mit der optimal dimensionierten Unruh und der sehr leichten Hemmung bilden günstige Voraussetzungen für ein überdurchschnittliches Reguliervermögen.
Wie bei allen Girard Perregaux Uhren wurde auch bei der GYROMATIC No. 21″ auf die Reglage besondere Sorgfalt verwendet. Sie beginnt mit der nach eigenen Methoden ausgewählten Spiralfeder und der mit speziellen Apparaten gewährleisteten genauen Lage des inneren Ansteckpunktes.
Jede Uhr gibt auf der Zeitwaage ein einwandfreies Bild, da der bewegliche Spiralklötzchenhalter eine genaue Einstellung der Nullage gestattet. Diese ebenfalls durch Patent geschützte Vorrichtung ist in Abb. 5 wiedergegeben. Durch Einsetzen einer Pinzettenpitze in die Öffnung b des Spiralklötzchenhalters a lässt sich das Spiralklötzchen beliebig verschieben, bis auf der Zeitwaage statt zwei Linien eine einzige gezeichnet wird. Diese Feinstellung lässt sich bei der herkömmlichen Bauweise nur mit ziemlicher Anstrengung, und auch dann nur annähernd, erreichen. Die Regulierung erfolgt in üblicher Weise durch Verschieben des Rückers. Die gleichmäßige Antriebskraft der Zugfeder in Verbindung mit den eben geschilderten Vorteilen sichern der GYROMATIC No. 21″ eine außergewöhnliche Ganggenauigkeit.
(Abb. 5)
Selbstverständlich kann die „GYROMATIC No. 21″ wie jede gewöhnliche Uhr auch an der Krone aufgezogen werden und ist stoßsicher, temperaturunempfindlich und antimagnetisch. Die eleganten Gehäuse, welche das Uhrwerk gegen Staub, Feuchtigkeit und andere äußeren Einflüsse schützen, werden jeden Besitzer mit stolzer Freude erfüllen. Wissenschaftliche Konzeption, genaue Herstellung, sorgfältige Montage und klare, elegante Linienführung machen aus jeder ,,GYROMATIC“ ein Meisterwerk.
Der Uhrmacher
Österreichische Uhrmacherzeitung 1. April 1956