WB #22 – Restaurierung einer Omega Taschenuhr mit 8-Tage Uhrwerk.
Kürzlich konnte ich die sehr aufwändige Restauration einer übergroßen Omega Taschenuhr aus den frühen 1900er Jahren fertigstellen und ich möchte Ihnen gerne den Werdegang der Arbeiten hier zeigen.



So haben wir die Uhr in die Werkstätte bekommen. Flugrost war bei diesem 30 ´´´ Omega Kaliber 99 im Uhrwerk verteilt, das Gesperr funktionierte nicht und die Zeiger wurden vom Werk nicht zuverlässig transportiert.



Der Rost am Sperrrad und Kronrad hat tiefe Narben hinterlassen. Beim Wechselrad, welches für die Übersetzung Stunden- zu Minutenzeiger zuständig ist, hat sich ein wahrer „Künstler“ ausgetobt und aus Ermangelung eines Ersatzes einfach zwei verschiedene Räder zusammengelötet. So etwas ist natürlich eine absoluter Pfusch. Weiters waren noch einige Steinlager und der untere Zapfen des Gangrades gebrochen. Nach dieser Bestandsaufnahme wusste ich was alles zu tun ist und ging ans Werk.


Bei dem Kaliber 99 von Omega ist durch das große Federhaus im Zentrum kein Platz für das Minutenrad. Deswegen sitzt im Zentrum (am linken Bild sichtbar) nur ein Viertelrohr. Angetrieben wird das Zeigerwerk direkt über das verpfuschte Wechselrad. Durch diese ungewöhnliche Konstruktion hat das Wechselrad 45 Zähne und so etwas haben wir nicht lagernd und deswegen muss es angefertigt werden.




Wechselrad und der alte Trieb


Jetzt ergibt sich für mich die Premiere mit dem Laser auch ein Zahnrad zu schneiden. Gleich vorweg – mit der Ausführung bin ich sehr zufrieden, aber bei der Konstruktion hätte ich eine etwas breitere Form der Zykloidenverzahnung konstruieren sollen. Am letzte Bild sehr ihr das montierte, neue Wechselrad und in der Pinzette halte ich das verpfuschte ohne den Trieb. Es funktioniert alles wunderbar und es geht weiter mit den Arbeiten.






Auch bei der Sperrfeder konstruiere ich zuerst den Teil und lasere ihn dann aus einer Stahlplatte mit 0,6mm Stärke. Durch das Lasern ist das Material heiß und dadurch weich geworden. So kann ich das Montageloch einfach bohren. Da die Feder aber hart und immer wieder in die ursprüngliche Form zurückkehren muss, wird die Feder stark erhitzt und in Öl abgeschreckt – diesen Vorgang nennen wir Härten. Zu hart darf das Marterial aber aber auch nicht zu sein, weil es dann wie Glas bricht und deswegen wird die Feder wieder auf ca. 300 Grad erwärmt. Die Feder wird dann blau – bei den Zeigern zeige ich dann wie dieses blau aussieht. Am vorletzten Bild seht ihr die Feder im eingebauten Zustand.
Hier seht ihr die neue Sperrfeder in Funktion – klappt wunderbar.






Wie Ihr auf dem Video vielleicht schon gesehen habt sind das verrostete Sperr- und Kronrad jetzt auch wieder schön. Am ersten Bild seht ihr das in der Drehbank eingespannte Kronrad. und am 2. bzw. 3. Bild die geschliffenen Räder. Danach werden die Räder in Spiritus bzw im Ultraschallgerät gereinigt und voilà sehen die Räder wieder sehr ansehnlich aus.






Weiter gehts mit den Arbeiten. Der fehlende, untere Ganradzapfen wird zuerst an der Drehbank auf ca. 0,25 mm gedreht und dann am Rollierstuhl auf 0,2 mm herunter rolliert. Am 2. Bild seht ihr den fertigen Zapfen. Weil das Sekundenrad durch das Andrehen eines neuen Zapfen etwas kürzer ist muss ich das untere Gangradlager nach oben bringen. Deswegen drehe ich aus Messing ein ca. 1,5mm hohes Lager und bohre in das Lager ein Loch um den Lagerstein für das Gangrad einzupressen. Am 4. Bild seht ihr das Lager und den noch losen Lagerstein. Am 5. Bild sieht man wie das perfekt sitzende Gangrad zwischen den Platinen sitzt. Am 6. Bild sehr ihr noch wie ich die restlichen beschädigten Lagersteine ersetze. Diese Lagersteine in unserem Lager sind zum Teil über 100 Jahre alt und wir haben tausende dieser synthetischen Rubinsteine in allen Größen in unserem Lager.





Die arbeiten sind vollbracht und hervorragend gelungen. Die Uhr funktioniert wieder einwandfrei und wird, sofern sie gut gepflegt wird, die nächsten 130 Jahre funktionieren.
An dieser Stelle möchte mich wie immer bei dem Besitzer dieser tollen Taschenuhr für sein Vertrauen bedanken und dass ich die Uhr nach allen Regeln der Uhrmacherkunst restaurieren durfte.
Ihr
Uhrmachermeister
Hans Mikl
Ps.: Ich würde mich sehr über einen Kommentar freuen. Zum einen weiß ich, dass meine Beiträge gelesen werden und es motiviert sehr weitere WBs (Werkstattberichte) zu verfassen 🙂


2 Comments
Martin Weinmayr
Vielen Dank für den Einblick in diese sehr komplexe Arbeit!
Hans Mikl
Serh gerne!