WB #16 – Longines Borgel Gehäuse – Zeigerstellung
Diese wunderschöne Longines, Baujahr ca. 1915, haben wir zu Restauration in unsere Werkstätte bekommen.
Neben den üblichen Fehlern hatte die Uhr leider ein Problem mit der Zeigerstellung.
Wie immer zuerst etwas Theorie, damit Sie die Zusammenhänge verstehen. 😉
Der Uhrengehäusefabrikant François Borgel hat 1887 eine spezielle Konstruktion für Uhrengehäuse zum Patent angemeldet. Bei diesen Gehäusen ist das Uhrwerk in einem Werkhaltering befestigt und dieser Werhaltering hat außen ein Gewinde. Das Gehäuse (meistens ein Silber- oder Goldgehäuse) hat innen ebenfalls ein Gewinde und so wird das ganze Werk inkl. Werkhaltering ins Gehäuse geschraubt. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass das Uhrwerk besser vor Schmutz und Staub geschützt ist. Der Nachteil ist, dass Gehäuseverformungen sich fatal auswirken, weil die die Position für Krone und Drücker oft nicht stimmen bzw die Gehäuse sehr teuer waren (was heute ja kein Nachteil ist).
Die Krone bzw die Aufzugswelle ist auch nicht wie bei einer modernen Uhr in einem Stück, sondern zweigeteilt bzw bildet das Gehäuse und die Krone, wie auf dem Bild ersichtlich, eine Einheit.
Der innere Teil der Krone (Aufzugswelle) hat einen Vierkant und dieser passt dann genau auf den Vierkant der Aufzugswelle im Uhrwerk (2).
Um die Zeit zu verstellen muss man den Drücker (1) drücken, der wiederum auf Schalthebel des Uhrwerks drückt (3).
Hier sehen Sie die Innenseite des Gehäuses bzw den Vierkant für die Krone (1) und den Drücker für die Zeigerstellung (2).
So, das Problem an der Sache war, dass der Drücker für die Zeigerstellung zu viel Spiel hatte bzw der Drückerweg für die Zeigerstellung zu kurz war. Es war also nicht möglich über den Drücker die Zeit einzustellen.
Da ich natürlich bei einer Restauration nie das Gehäuse verändern möchte, musste eine einfache und nachhaltige Lösung für das Problem gefunden werden.
Ich habe mich dafür entschieden den inneren Teil des Drückers, also der Teil, der mit dem Werk verbunden ist, zu adaptieren. Im Drehstuhl wird zuerst ein Körner bzw ein Loch gebohrt…
…und dann ein Gewinde gebohrt. Das Gewinde im mit M0,5 winzig und auf dem Bild sehen Sie auch die passende Schraube.
Hier sehen Sie den Zeigerstellstift und die montierte Schraube. Mit dieser einfachen Methode kann ich den Zeigerstellstift von der Länge her exakt an das Gehäuse anpassen…
…um so eine sichere und zuverlässige Zeigerstellung zu bewirken. 🙂
Hier sehen Sie noch das traumhaft schöne Uhrwerk – ein Longines Kaliber 12.92 und…
…weitere Bilder der außergewöhnlich schönen…
Danke fürs Lesen. Ich hoffe der Bericht war interessant für Sie und ich würde mich über Kommentare, Fragen etc. freuen.
Ihr Uhrmachermeister
Hans Mikl
2 Comments
Ernesto Peters
Hallo Herr Mikl
Kompliment zu Ihrem Fachwissen, Engagement und der profunden
praktischen Kompetenz. Die Bilder gefallen auch.
Ich interessiere mich für wasserdichte Borgel-Gehäuse, auf deren Technologie auch Wilsdorf aufbauen und so eine zuverlässige Wasserdichtigkeit entwickeln und erzielen konnte, was Mercedes Gleitze mit ihrem Ärmelkanal-Durchschwimmen nachdrücklich belegt hat.
Schweizer Trench watches (officers watches) sind in England auch heute verbreitet und gesucht. Da sie im 1. WK qualitativ und preislich überzeugt hatten, findet man gerade in England viele.
Die Schweizer hatten von den USA viel für eine mechanisierte Uhr-Fabrikation gelernt. Da aber die USA weniger in den Grabenkriegen des 1. WK engagiert waren, hat Waltham quantitativ & qualitiativ weniger Officers Watches verkauft. Die englische Uhrmacherei hatte die mechanisierte Produktion, wo ein Teil das andere ersetzen kann, schlicht verschlafen. Deshalb findet man noch gute Trench Watches Schweizer Provenienz.
Als ich vor Jahren in England arbeitete, fand ich im ebay ein 3/4-Platinen Mappin / Longines, Kal. 13.34, von ca. 1915, die mir ein Wiener für ca. Eu 250.- verkaufte.
Gut erhaltene Silber Trench-Watches, die heute gegen £ 1’000 gehandelt werden, sind seltener als manche moderne Uhr, die als Rarität verkauft wird. Ich setze mich ein, dass diese Art Uhr mal in einem Auktionskatalog und/oder in einem Uhrenmagazin vorgestellt wird.
Englische Auktionsfirmen wären vielleicht froh, mit einen spezialisierten Uhrmacher wie Ihnen zusammenarbeiten zu können.
Zum Borgel Schraubgehäuse: François Borgel wurde am 1865 geboren, erhielt für sein Gehäuse 1891 in Genf Patent 4001, am 24/11/1891 ein entsprechendes UK Patent und im Juli 1892 das US Patent Nr 478’734. Taubert & Fils übernahmen 1924 die Firma, Louise Taubert starb 1980 und war über 90-jährig.
Ich interessiere mich für wristwatches. Mein Vater war Uhrmacher, ich studierte Bezirkslehrer für Geschichte. Ich verfolge Uhrenauktion weltweit, habe mich in die Entwicklung der Uhrentechnik eingearbeitet, dass ich weiss, wann was eingefuehrt wurde. Ebenso verfolge ich die wichtigsten Auktionen weltweit. So kann ich eine echte von einer falschen Uhr unterscheiden, kann icn etwa den Wert abschaetzen. Mein Spezialgebiet sind aber nicht (Borgel) Watches; ich mache ein Fernstudium Erziehungsberatung.
Einer, der sich mit Uhren aus jener Zeit vertieft befasst, ist David.Boettcher, Mitglied diverser englischer Uhren-Fachschaften. Er lebt dafèr, schauen Sie mal in seine Homepage rein, empfehlen Sie sich bei ihm fuer Restaurationen. Ich empfehle Sie gerne weiter.
Mit den besten Wuenschen und
freundlichem Gruss
EMP
PS Bei Ihren Spezifikationen empfehle ich „Restauration von Trench Watches“ explizit aufzufèhren
Hans Mikl
Vielen Dank für die interessante Ausführung und die lobenden Worte. Es ist immer wieder sehr schön aus profunder „Feder“ eine solche Anerkennung zu lesen.
Hans Mikl