WB #17 – Restauration einer goldenen Taschenuhr

Damit Sie sehen was alles möglich ist, möchte ich Ihnen in diesem Werkstättenbericht eine sehr aufwändige Restauration einer goldenen Hausmann & Co Taschenuhr aus den 1920er Jahren vorstellen.

So haben wir die Uhr in unsere Werkstätte bekommen…

Hausmann & Co Taschenuhr
…der Bügel fehlt und das Gehäuse ist stark zerkratzt…

Hausmann & Co Taschenuhr

…und verbeult….

Hausmann & Co Taschenuhr

…das Werk ist stark verschmutzt und verharzt. Das Räderwerk blockiert zum Teil und die Unruhe zappelt schwach.
Es war also klar, dass bei dieser schönen alten Taschenuhr einiges zu machen ist, aber welche Herausforderungen bei dieser Uhr auf mich zukommen werden ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich bin einfach von einer, für das Alter der Uhr, üblichen extremen Verschmutzung und eingelaufenen Zapfen bzw kaputten Lagern ausgegangen. Zu den Problemen komme ich aber etwas später….

Da dem Kunden sehr viel an der Uhr liegt, spielte der Reparaturpreis eine untergeordnete Rolle und deswegen konnte ich gleich ans Werk gehen.

Beim Zerlegen war dann klar warum das Uhrwerk zum Teil blockierte. Der Trieb (linker Pfeil) ist so massiv eingelaufen, dass die Sekundenradzähne mit den Triebzähnen des Gangrades kollidierten. Zu allem Überdruss war dann auch noch der Zapfen (oberer Pfeil) angeknackst und beim Lösen der Platine ist er sofort gebrochen.

An sich wäre das jetzt schon ein Super-GAU, aber ich wollte diese Uhr unbedingt retten. Wäre es „nur“ der kaputte Zapfen, dann würde ich jetzt einen neuen Zapfen einbohren, aber mit dem eingelaufenen Trieb, der konstruktionsbedingt ganz am oberen Ende im Eingriff ist, nutzt mir nur ein neuer Zapfen also auch nicht viel…

Bei meinen Ersatzteilen finde ich dann eine alte Schachtel mit Gangrädern. Neben Duplexrädern und Zylinderrädern …

…sind auch Unmengen an Gangräder für die benötigte Kolbenzahnhemmung vorhanden. Zuerst mal grob nachgemessen bzw die Triebzähne nachgezählt – schaut gut aus und es dürfte da etwas Passendes dabei sein. Mein Herz schlägt Purzelbäume 🙂 Schade, dass der Uhrmacher, der wahrscheinlich vor über 100 Jahren dieses Schächtelchen zusammengestellt hat, nicht sehen kann welche Freude er mir gerade gemacht hat.

Aber ich will nicht zu voreilig sein – vorsichtig schlage ich das Gangrad von der Welle…

… und nehme mit dem Feintaster alle relevanten Maße. In diesem Fall ist also die ganze Welle 390/100mm – also 3,9mm lang, der Trieb hat 92/100mm und die Zapfen 12/100mm – also 0,12mm (etwa so dick wie ein Haar). Auf dem oberen Bild sehen Sie unter dem Streichholz den ausgeschlagenen Trieb.

Vorsichtig löse ich vom intakten Gangrad den Trieb…

…das originale Gangrad und der unbeschädigte Trieb…

…hier verniete ich die beiden Teile wieder.

Die Zapfen am neuen Trieb sind zu groß (15/100mm) und deswegen rolliere (verkleinere) ich die beiden Zapfen auf das richtige Maß.

Soweit so gut – nur der Trieb ist um ca 1/10mm kürzer und der Triebdurchmesser um 2/100mm stärker – ich hoffe, dass ich da keine Probleme bekomme. Aber zu diesem Zeitpunkt bin ich sehr optimistisch.

Das obere Steinlager des Sekundenrades und auch des Gangrades sind ausgesplittert und die beiden Lager muss ich bei der Uhr ohnehin ersetzen. Was liegt also näher mit einer kleinen Adaptierung beide Lager zu ersetzen und gleichzeitig an das etwas kürzere Gangradtrieb anzupassen?

Oje, ich glaube ich werde etwas zu technisch – deswegen eine ganz kurze Einführung über den Aufbau des Räderwerks einer Uhr:


1.) Federhaus (da ist die Zugfeder drinnen)
2.) Minutenrad (dreht sich innerhalb von 60 Minuten um 360°)
3.) Kleinbodenrad
4.) Sekundenrad
5.) Gangrad

Das Prinzip ist also ganz einfach und wie Sie sehen, muss immer das Rad (das Große) in den Trieb (das Kleine) eingreifen und so ergibt sich die Übersetzung. In unserem Fall greift also das Sekundenrad (4) in das neue Trieb des Gangrades (5) ein.


Gut. Die Idee ist es, ein etwas höheres Messinglager…

…in den Kloben einzupressen….

…und in dieses Lager dann wieder ein korrektes…

…Steinlager zu setzen. Ich lobe mich ja ungern, aber das ist eine wirklich elegante und kreative Lösung für mein Problem. 😉

Mein Problem mit dem etwas zu niedrigen Gangradtrieb habe ich somit gelöst. Der um 2/100mm zu dicke Gangtrieb machte sich aber leider bemerkbar und deswegen versetze ich minimal den Gangradkloben, um einen etwas seichteren Eingriff zu bekommen.

Der zerkratzte und verbogene Ankerkloben war für mich auch unerträglich und deswegen habe ich ihn überarbeitet und sandgestrahlt. Sieht doch wieder toll aus?

Soweit hat alles wunderbar geklappt und ich mache mit der Restauration weiter bzw kümmere mich um den etwas verbogenen und eingelaufenen Unruhzapfen.

Mit diesem kleinen Gerät kann man verbogene Zapfen wieder gerade richten. In die kleinen Steinlager wird der Zapfen gesteckt und mit dem kleinen Blättchen in der Mitte und sehr viel Fingerspitzengefühl richtet man den Zapfen wieder gerade.

Bei dieser Uhr ist allerdings das Steinlager im Unruhkloben ausgebrochen (die Uhr hat wirklich schon gelitten) und diese Bruchstelle hat in den Unruhzapfen eine kleine Rille gefräst…

…diese kleine Rille ist mir dann aber aber auch zum Verhängnis geworden und wirkte wie eine „Sollbruchstelle“ am Zapfen. Es machte einen kleinen Knackser und der Zapfen war ab. 🙁

So – jetzt standen mir allerdings richtig die Schweißperlen auf der Stirn und zwischen mir und dieser kleinen zickigen Dame aus der Schweiz wurde es jetzt eine persönliche Angelegenheit. 😉
So viel Pech kann man mit einer Uhr ja gar nicht haben – zuerst das Gangrad und jetzt die Unruhe? Und da es für die Uhr weder eine Werkbezeichung oder sonst irgendwelche genormte, geschweige den austauschbare Teile gibt, wird das jetzt immer schwieriger.

Nein, die kleine Schweizerin muss wieder zum Leben erweckt werden und da ich nie aufgebe, werde ich auch dieses kleine Biest wieder zum Schnurren ähhm Ticken bringen… 😉

Zuerst nehme ich mit dem Feintaster alle Maße von der kaputten Unruhwelle…

…bzw messe ich über die Platine und den Kloben die Gesamthöhe aus.

Mit einem alten Buch suche ich mir eine sehr ähnliche Unruhwelle nach den Maßen raus und da wir tausende alte Unruhwellen am Lager haben sind die Chancen gut, dass wir auch eine ähnliche Welle da haben die ich anpassen kann.

Nachdem ich einige Schränke durchsucht habe…

…wurde ich fündig.

Großartig – wir haben eine ähnliche Unruhwelle da. 🙂 

Zuerst muss die alte Welle entfernt werden.

Mit meinem Rolfi (so eine Art kleinen „Flex“) wird die Welle abgefräst…

…und die kaputte Unruhwelle sehr vorsichtig…

…vom Reifen getrennt.

Wunderbar – hier gibt’s keine Probleme und weiter geht’s…

Hier sehen Sie eine Skizze der Unruhwelle – links die richtigen Maße und rechts die ähnlichen Maße. Die Unruhwelle muss also noch angepasst werden. Darüber sehen Sie den Reifen und die neue Welle.

Zuerst verniete ich aber die neue Unruhwelle…

…und ersetzte den beschädigten Lagerstein…

…mit einem neuen Lagerstein.

Jetzt rolliere ich noch die Zapfen….

…und den Plateau-Ansatz auf das richtige Maß. Hier sehen Sie schön das richtige Maß 54/100mm im Feintaster.

So, die Unruhe (ohne Spirale und Hemmung) ist eingebaut und sie passt perfekt 🙂  Bis hierher war es ein weiter Weg, den ich bei dieser Uhr etwas unterschätzt habe.

Als Nächstes muss die Uhr natürlich noch ein weiteres mal gereinigt werden…

…und so sehen die zerlegten und sauberen Einzelteile aus.

Rechts sehen sie die alte und stark ermüdete Zugfeder und links die neue Zugfeder.

Die neue Zugfeder im Federhaus eingewunden.

Hier stelle ich die Zeigerreibung strenger.


Zeigerreibung: Zwischen dem Räderwerk und den Zeigern ist das sogenannte Zeigerwerk. Das ist die typische 12:1 Übersetzung für die Anzeige von Stunden und Minuten. Diese Verbindung zwischen dem Räderwerk und dem Zeigerwerk darf aber nicht fix sein, weil sonst könnte man bei einer Uhr die Zeit nicht verstellen. Die Verbindung wird also mit Reibung gehalten. Ist die Reibung zu streng, dann kann man eben kaum die Zeit verstellen und ist die Reibung zu lose, dann verstelle sich die Zeiger durch Erschütterungen von alleine bzw laufen nicht mit. Wir Uhrmacher müssen deswegen die Zeigerreibung genau richtig einstellen.


Hier sehen Sie das Uhrwerk von der Zifferblatt-Seite…

…und von der Kloben-Seite. Es gab dann noch ein kleines Problem mit dem Sekundenrad in Verbindung mit dem Unruhreifen und deswegen musste ich…

…auch das Sekundenrad bzw das obere Lager adaptieren und noch etwas versetzen.

Es wäre natürlich zu schön gewesen, wenn die Uhr auch gleich richtig gelaufen wäre dem war aber nicht so. Die Unruhe war zu leicht, was sich ein einem enormen Vorlaufen bemerkbar machte und ich musste den Reifen mit Regulierscheibchen schwerer machen, den Abfall einstellen und auswägen.


Beim Auswägen oder Auswuchten entfernen wir so gut wie möglich den Schwerpunkt vom Unruhreifen. Je weniger Unwucht die Unruhe hat desto geringer ist die Gangunterschied in den verschiedenen Kronenlagen – also wenn z.B die Krone nach oben oder nach unten zeigt.


Die Gangwerte sind perfekt – 334° (so weit schwingt die Unruhe aus – das ist fast das Maximum des technisch Möglichen und wird von neuen Uhren oft nicht erreicht).
+3 Sekunden Vorgang und einen minimalen Abfallfehler von 0,7 Millisekunden (der Abfall beschreibt die Zeitdifferenz zwischen dem „Tick“ und dem „Tack“ (was das genau bedeutet wäre an dieser Stelle etwas zu kompliziert zu erklären). Null wäre perfekt – ist aber bei einer Uhr ohne Abfallregulierung sehr schwer einzustellen und auch nicht notwendig. Den Abfall erkläre ich mal separat in einem Beitrag.

So weit so gut – das Uhrwerk ist fertig.

Ich suche jetzt noch einen passenden Sekundenzeiger…

…aus unseren alten Schätzen raus und finde auch gleich einen schönen Zeiger.

Der Minutenzeiger ist etwas locker und wird noch etwas verkleinert.

Das Gehäuse der Uhr hat – vermutliche durch zahlreiche Stürze – auch schon etwas gelitten und deswegen befreie ich das Goldgehäuse von den Dellen und Beulen.

Mit einem uralten und genialen Werkzeug streiche und drücke ich die zahlreichen Beulen…


…und Dellen aus dem Gehäuse.

Hier trage ich den beschädigten und zerkratzten Sonnenschliff…

…wieder auf – jetzt sieht die Uhr auch am inneren Deckel wieder toll aus.

Das Gehäuse wird innen und außen aufgearbeitet und poliert.

Der fehlende Bügel stellt zum Glück kein großes Problem dar und ich kann aus hunderten Bügeln wählen…

…der von der Form passende Bügel wird mit einem weiteren genialen Gerät – der Revolver-Bügel-Fräsmaschine…

…auf den richtigen Ansatz-Durchmesser…

..gefräst.

Danach poliere und vergolde…

..ich den Bügel in unserer Galvanik.

Der Bügel passt sowohl von der Form, wie auch von der Farbe perfekt.

Mit einem weiteren Spezialwerkzeug – einer Bügel-Zange

…spanne ich den Bügel auf das frisch restaurierte Gehäuse.

Zum Schluss montiere ich hier noch ein neues Plexiglas.

Endlich fertig – hier sehen Sie die fertig restaurierte und traumhaft schöne Taschenuhr aus den 1920er Jahren.

Diese Uhr hat mich wirklich Nerven gekostet, aber es war auch eine sehr herausfordernde und auch schöne Arbeit.

Ich hoffe der Werkstättenbericht hat Ihnen gefallen und ich danke ihnen für Ihr Interesse.
Da ich noch sehr viele Bilder von interessanten Arbeiten habe und natürlich gerne wissen möchte ob meine Berichte auch gelesen werden, würde ich mich sehr über einen kurzen Kommentar freuen. Vielen Dank.

Ihr Uhrmachermeister
Hans Mikl

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